Kommunen in der Zwickmühle:
Zwischen den Jahren 2000 und 2014 ist das Personal in den Kernverwaltungen der kreisfreien Städte im Schnitt um 12 Prozent gesunken. Besonders hoch war der Personalabbau, mit durchschnittlich knapp 40 Prozent, in den kreisfreien Städten Ostdeutschlands. Im gleichen Zeitraum hat sich die Aufgabenaufteilung zwischen Bundesländern und ihren Kommunen zu Lasten der Gemeinden verschoben. Der entsprechende Indikator, der „Kommunalisierungsgrad“, der die Aufgabenteilung zwischen Land und Kommunen gemessen an den Ausgaben aufdeckt, ist bundesweit von 44,5 auf 48 Prozent gestiegen. Diese Zahlen sind Ergebnisse einer aktuellen Studie des von KPMG geförderten Instituts für den öffentlichen Sektor zur Personaldichte in kreisfreien Städten (Link zur Studie von KPMG).
Der Kommunalisierungsgrad wird als Indikator für die relative Aufgabenlast der Kommunen in einem Bundesland verstanden. Je höher der Indikator, desto mehr Aufgaben übernehmen die Kommunen.
Die Personaldichte in deutschen Kommunen wird kleiner
Um diese Zahlen bewerten zu können, ist es entscheidend zu wissen, für wie viele Bürger eine Kommunalverwaltung die ihr übertragenen Aufgaben mit ihrem vorhandenen Personalkörper erbringen muss. Daher setzte das Institut in seiner Studie die Personalzahlen zunächst in Relation zur Einwohnerzahl. Waren im Jahr 1998 in der Kernverwaltung der kreisfreien Städte noch durchschnittlich 16 Mitarbeiter (in Vollzeitäquivalenten = VZÄ) für 1.000 Einwohner zuständig, reduzierte sich diese Zahl bis 2014 auf 13,5 Mitarbeiter.
Entwicklung des deutschlandweiten Mittelwerts der Personaldichte
(über alle kreisfreien Städte, nach Jahren)
In einem zweiten Schritt wurde die Einwohnerzahl mit dem Kommunalisierungsgrad multipliziert, um Unterschiede in der Aufgabenwahrnehmung zwischen den Bundesländern zu eliminieren und die Ergebnisse auch länderübergreifend vergleichbar zu machen. Im Ergebnis stellte sich heraus, dass sich die so ermittelte Personaldichte in den Kernverwaltungen der kreisfreien Städte im Untersuchungszeitraum um durchschnittlich ein Fünftel reduzierte, von 34 Mitarbeitern je 1.000 Einwohner (gewichtet) in 1998 auf 27 Mitarbeiter in 2014. Den niedrigsten Wert erreichte die so ermittelte Personaldichte im Jahr 2010 mit 26 Mitarbeitern pro 1.000 um den Kommunalisierungsgrad gewichtete Einwohner.
Entwicklung des deutschlandweiten Mittelwerts der Personaldichte gewichtet mit dem Kommunalisierungsgrad (über alle kreisfreien Städte, nach Jahren)
Reiche Kommunen leisten sich mehr Personal
Sowohl in der Wirtschaft aber auch in der öffentlichen Verwaltung ist das Personal ein bedeutender Kostenfaktor, weshalb die Vermutung naheliegt, dass die Personalausstattung mit der finanziellen Lage in Zusammenhang steht. Und tatsächlich hat die erwähnte Studie ergeben, dass im Durchschnitt aller kreisfreien Städte eine um 1.000 Euro erhöhte Verschuldung pro Kopf statistisch betrachtet die Personaldichte um 0,6 Vollzeitäquivalente je 1.000 Einwohner (gewichtet) sinken lässt. Dies entspricht einem zwar geringen, aber statistisch signifikanten negativen Zusammenhang und bestätigt die Vermutung, dass höher verschuldete Kommunen Personaleinsparungen vorgenommen haben könnten.
Zusammenhang zwischen Verschuldung und Personaldichte (im Jahr 2014)
Umgekehrt scheinen sich „reiche“ Kommunen tatsächlich mehr Personal zu leisten: Denn je höher die Wirtschaftsleistung auf dem Gemeindegebiet, ausgedrückt im Bruttoinlandsprodukt pro Kopf, desto höher ist tendenziell die Personaldichte der Kernverwaltung. Auch dieser Zusammenhang, so hat sich in der Studie herausgestellt, ist deutlich statistisch signifikant und positiv.
Für Städte in wirtschaftsschwachen Regionen kann dies bedeuten, dass sie trotz eines möglicherweise höheren Betreuungsaufwands für eine vermutlich relativ größere Anzahl sozial schwächerer Bürger weniger Personal aufbieten können als Kommunen in reicheren Regionen bzw. mit höherer Wirtschaftskraft. Eine verringerte Personaldichte könnte auch einen Einfluss auf die Dienstleistungsqualität der öffentlichen Verwaltung haben. In der Studie des Instituts wurde die durchschnittliche Wartezeit auf einen Bürgeramtstermin zur Anmeldung einer Wohnung als Qualitätsindikator herangezogen. Hier zeigt sich: je geringer die Personaldichte, desto höher ist in der Tendenz die Wartezeit auf einen Bürgeramtstermin.
Kann Digitalisierung die Produktivität steigern?
Sollte sich der eingangs geschilderte Trend weiter abnehmender Personalzahlen und gleichbleibender oder wachsender Aufgaben fortsetzen, könnte dies die Leistungsfähigkeit der Kommunalverwaltung in wirtschaftsschwächeren Regionen in Gefahr bringen. Hinzu kommt die demografische Entwicklung, die durch sinkende Zahlen junger Menschen, die in den Arbeitsmarkt eintreten, den Wettbewerb um Arbeitskräfte schon jetzt spürbar verschärft. Im Ergebnis kann es sein, dass Kommunen zukünftig mit immer weniger Personal auskommen müssen.
Die Gemeinden werden sich also die Frage stellen müssen, wie sie ihre Prozesse und Verwaltungsverfahren vereinfachen, digitalisieren und für ausgewählte Bereiche auch automatisieren können. Durch die Automatisierung von Routineprozessen und die Vereinfachung von Verwaltungsabläufen werden Ressourcen frei, die für die Erbringung von unmittelbaren Bürgerdienstleistungen, z. B. erweiterte Beratung von sozial Schwachen, eingesetzt werden können. Digitale Verfahren und Kommunikationskanäle können für die Bürger als Kunden auch Zeit sparen – und so auch ihnen mehr Zeit einräumen, sich um andere Tätigkeiten zu kümmern. Für Anbieter wie auch Nachfrager von Verwaltungsdienstleistungen besteht also die Chance, mit Hilfe neuer Technologien produktiver zu werden. Aus Sicht der Kommunalverwaltung kann das bedeuten, trotz sinkenden Personalbestands das eigene Leistungsniveau aufrecht erhalten zu können.
Die Digitalisierung entschlossen und großflächig anzugehen, ist für die meisten Kommunen jedoch aufgrund ihrer finanziellen Lage ein kaum zu bewältigendes Projekt. Bei der bundesweiten Befragung des „Zukunftspanels Staat & Verwaltung 2017“ nannten Behörden auf die Frage nach den größten Hemmnissen für die Umsetzung von E-Government hohe Kosten und fehlende Finanzierung an zweiter Stelle (Blog: Keine Angst vor der Digitalisierung). Als größtes Hemmnis wurde eine zu geringe Zusammenarbeit von Behörden zur Entwicklung gemeinsamer Lösungen genannt, eine weitere wesentliche Hürde sind aber auch unklare rechtliche Anforderungen.
Fazit
Benötigt wird also nicht zuletzt ein rechtlicher Rahmen von Bund und Ländern, der den Kommunen ihren Handlungsspielraum für die Digitalisierung und Vereinfachung von Prozessen deutlich aufzeigt. Weiterhin benötigen die Städte und Gemeinden eine ausreichend große finanzielle Ausstattung, die Investitionen in eine digitale Verwaltungsinfrastruktur ermöglicht. Insbesondere kleinere Kommunen können die notwendigen Investitionen kaum alleine stemmen. Hier können interkommunale Kooperationen und die Zusammenarbeit mit privaten Unternehmen hilfreich sein.
Neben allen Bemühungen, die Produktivität durch Digitalisierung und Automatisierung zu erhöhen, darf das eigene Personal jedoch nicht vernachlässigt werden. Ein verbessertes Aus- und Weiterbildungsprogramm und eine ausgebaute Führungskräfteentwicklung können die Arbeitgeberattraktivität steigern, die Mitarbeiter stärker motivieren und Arbeitsergebnisse verbessern.
Bei allen Digitalisierungsbestrebungen sollten die Kommunalverwaltungen auch nicht die Qualität der Verwaltungsleistungen und die Nähe zu den Bürgern vor Ort vernachlässigen. Denn dem Bürger ist es im Prinzip egal, welche Verwaltungsebene für das jeweilige Anliegen zuständig ist. Sofern bundeseinheitliche Zugangsportale existieren, werden diese von Suchmaschinen und Nutzern präferiert, lokale Verwaltungseinheiten könnten im Netz hingegen übersehen werden. Doch es sollte gerade die Aufgabe der Kommunen sein, das Leben vor Ort aktiv und mit den Bürgern zu gestalten. Digitale Kanäle sollten daher dazu genutzt werden, die Bürger zu aktivieren und in kommunalpolitische Entscheidungen einzubeziehen.