Könnte ein kostenloser ÖPNV funktionieren?

In den letzten Wochen wurde wieder über ein bekanntes Thema debattiert – ist ein kostenloser ÖPNV in Deutschland möglich? Städte lehnen dies ab. Es fehle letztendlich jedoch immer an einem schlüssigen Gesamtkonzept. Ob das so ist und wer davon profitieren würde.

Keine neue Idee

In den letzten Wochen wurde wieder über ein bekanntes Thema debattiert – ist ein kostenloser ÖPNV (Öffentlicher Personennahverkehr) in Deutschland möglich? Diesmal geht dies auf eine Idee der Bundesregierung zurück, bei der fünf Modellstädte oder sogenannte “Lead Citys” testen sollen, ob ein kostenloser Nahverkehr die CO2 – und Feinstaub-Belastung der Städte reduzieren könnte. Dies lehnen die Städte jedoch ab. Schon früher wurden über Pilotprojekte, beispielsweise in Lübben und Templin, versucht, die Idee des kostenlosen ÖPNV in Deutschland voranzutreiben. Es fehlte letztendlich jedoch immer an einem schlüssigen Gesamtkonzept. Auch die Verhaltenheit der Kommunen erscheint im Hinblick auf eine Autoverliebtheit der Deutschen nicht verwunderlich. Der Individualverkehr ist hoch und heilig, ein Teil der nationalen Kultur und Identität.

Wer würde vom kostenlosen ÖPNV profitieren?

Vor allem Schüler und Jugendliche sind tagtäglich auf Busse und Bahnen angewiesen. Auch immer weniger junge Erwachsene können oder wollen sich ein Auto leisten. Der ÖPNV ist somit ein wichtiger Grundpfeiler der Daseinsvorsorge unserer Gesellschaft. Besonders auch ältere und sozial benachteiligte Menschen nutzen den öffentlichen Nahverkehr. Ein kostenloser ÖPNV würde sogar nachweislich dazu beitragen, dass sich deren Mobilität erhöhen würde

Vom kostenlosen Nahverkehr würden also insbesondere Bevölkerungsgruppen profitieren, die ohnehin kein Auto besitzen oder aktuell mit dem Fahrrad fahren – nicht aber die, die schon ein Auto besitzen. Straßen werden vor allem Berufsfahrer in den Städten und Pendler vom Land verstopft, welche durch die Nutzung des privaten PKW für die hohen Feinstaubwerte in den Städten mit verantwortlich sind. Besonders Viel-Pendler vom Land würden wohl weiterhin die Vorteile einer flexiblen und schnellen Nutzung von Autos wahrnehmen.

Investieren, doch wo?

Eine sinnvolle kostenlose Nutzung und Ausweitung des ÖPNV in der Stadt würde somit nur den Vielfahrern, die in der Stadt wohnen, einen Anreiz geben, auf das Auto zu verzichten. Mehr Fahrgäste bedeutet aber auch einen höherer Bedarf und mehr Kapazität im bereits angespannten ÖPNV-Angebot, insbesondere im Berufsverkehr. Mit diesem erhöhten Mobilitätsbedürfnis, würde daraus aber also gleichzeitig ein erhöhter Bedarf an neuer Infrastruktur, sprich Busse und Bahnen aber auch bei digitaler Infrastruktur und Personal resultieren. Besonders in Großstädten würde das einen enormen Kapazitäts-und Investitionsdruck auf die Nahverkehrsbetriebe und Kommunen verursachen. Bundesweit entstünde ein Investitionsbedarf von rund 20 Milliarden Euro, nach derzeitigen Berechnungen.

Der Berliner Verkehrsexperte Heinrich Strößenreuther forderte daher unlängst, die Steuervergünstigungen der etwa 12 Millionen Dieselfahrzeuge in Deutschland abzuschaffen und diese Mittel lieber in einen kostenlosen ÖPNV und vor allem in dessen Infrastruktur zu investieren. Gleichzeitig könnte sich der Staat damit auch unnötige Kosten sparen, die er durch Schwarzfahrer hat. Denn diese kosten ihm im Falle einer Ersatzfreiheitsstrafe doch so einiges mehr als der Wert eines Tickets – nach Angaben des ARD-Magazins “Monitor” mehr als 200 Millionen Euro im Jahr.

Was steht dem entgegen?

Letztendlich haben diese Lösungsansätze in der Debatte bisher nicht überzeugen können. Zu groß wäre die Finanzierungslücke und eine vollständige Subventionierung der Verkehrsbetriebe unausweichlich, denn schon heute deckelt der Verkauf von Tickets und Abos nicht die Kosten der Verkehrsbetriebe. Eine Voll-Subventionierung von staatlicher Seite, stehe aber nicht zur Debatte. Der Deutsche Städte-und Gemeindebund betitelte die Idee der Bundesregierung daher als „frommen Wunsch“, auch der Verkehrsclub Deutschland sagte, ein kostenloser ÖPNV sei „nicht realistisch“.

Vorerst bleibt damit der Motorisierte Individualverkehr (MIV) unangetasteter Spitzenreiter in Sachen Personenbeförderung. Einen Dämpfer hat die Automobilindustrie und haben die Automobilnutzer jedoch in jüngster Zeit erfahren müssen. Durch das Urteil des Bundesverwaltungsgerichtes zu etwaigen Dieselfahrverboten in Deutschlands Innenstädten drängt man dennoch auf anderem Wege zu einer baldigen zukunftsfähigen Alternative zum Autoverkehr in Innenstädten. Welche Rolle dabei dem ÖPNV in dieser absehbaren Trendwende zugeschrieben wird, das wird sich wohl erst noch zeigen.

Intelligente und effizientere Lösungen sind gefragt.

Während ein “Weiter-So” für den ÖPNV beschlossen wurde, etablieren sich immer mehr private Ridesharing-Angebote durch Startup-Unternehmen, wie Moia und Allygator, und werden in das Verkehrssystem eingebunden. Sie ergänzen zielgerichtete Angebote da, wo der ÖPNV keine flächendeckende Personenbeförderung gewährleisten kann – vor allem in strukturschwächeren Regionen, wo derzeit der MIV den höheren Verkehrsanteil einnimmt.

Ziel muss es also sein, diese neuen intelligenten Lösungsansätze privater und kommunaler Anbieter zu verknüpfen, um ein zukunftsfähiges Verkehrskonzept zu schaffen. Auch die Modernisierung der Schülerbeförderung kann hier eine wichtige Rolle spielen. Schließlich wird bei einem Großteil der eingesetzten Fahrzeuge auf Diesel als Kraftstoff gesetzt. Damit kostet jeder unnötig gefahrene Kilometer Geld und Luftqualität.

 

Beitragsbild:Strassenbahn“ von mpatzig, lizenziert unter CC BY 2.0

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Über den Autor

Vivienne Langer

Vivienne Langer ist Werkstudentin bei Stadt.Land.Netz. Sie betreut analytische Projekte, wie Marktforschungen, Befragen und zukünftige Strategien.

Vivienne studiert Urbanistik in Weimar.

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